Warum US-Startups schlecht internationalisieren können

Unter dem Titel Innovativ, aber Beschränkt (→ Warum US-Startups schlecht internationalisieren können) schreibt ein Gastautor des Blogs netzwertig.com über die Unterschiede in der Internationalität von europäischen und US-amerikanischen Firmen.

Diesen Artikel möchte ich teilweise komplettieren, teilweise möchte ich einigen Behauptungen widersprechen. Um dies zu können, möchte ich zunächst kurz die Hauptthesen zusammenfassen.

Internationalisierung und Globalisierung – Eine Behauptung

Der erwähnte Blog folgt in dem erwähnten Artikel im Prinzip dem folgenden Gedankengang:

  • US-Unternehmen sind schlechter in der Lage, als europäische Unternehmen, Produkte außerhalb des Heimatmarktes anzubieten.
  • Dies liegt u.a. an dem großen Binnenmarkt der USA, weshalb es die Firmen nicht unbedingt notwendig haben, zu internationalisieren.
  • Darüberhinaus sei die Grundhaltung der Amerikaner teilweise mit verantwortlich, nämlich, daß Amerikaner oft nur wenig international feinfühlig und erfahren wären, als die Europäer.

Trotz Allem hält der Blogautor das Going Global selbst für Start-Ups für sinnvoll. Er schlägt sogar vor, das mangelnde internationale Interesse der US Firmen zu nutzen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten.

Pro und Contra

Internationale KMU

Grundsätzlich ist es schon richtig, daß speziell deutsche kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehr viel häufiger im Weltmarkt tätig sind, als dies z.B. bei US-Unternehmen der Fall ist. Nicht umsonst wurde die Bundesrepublik lange als Exportweltmeister bezeichnet. Dieser Titel bedeutet natürlich auch, daß unsere Firmen, Mitarbeiter und staatliche Stellen sehr viel Export Know-How besitzen.

Woran es aber liegt, daß sich europäische Unternehmen oft internationalisieren? Ich kenne keine ernstzunehmende Studie, und kann deshalb nur mutmaßen. Ähnlich, wie der obige Blog behauptet, vermute auch ich, daß der große US Binnenmarkt eine gewichtige Rolle spielt. Da Europa schon immer kleinstaatlicher aufgebaut war, war es hier schon immer üblicher, und notwendiger, sich international zu orientieren (zumindest in der Nachkriegszeit).

Falsche Haltung?

Weiter unten behauptet der Blogautor jedoch, die US wären deshalb nicht international erfolgreich, da die Firmen eine falsche Haltung hätten:

„Damit ist aber noch nicht erklärt, warum ich glaube, dass europäische bzw. deutsche Startups besser im Internationalisieren sind. Um es auf eine provokante These zu bringen: Sie scheuen den Mehraufwand nicht und denken nicht in dem Schema „If you can make it there (in the US), you can make it anywhere“ oder „den Rest der Welt machen wir irgendwie nebenbei“.“

Speziell diese Behauptung halte ich für nicht zutreffend. Meiner Erfahrung nach sind andere Gründe dafür verantwortlich, daß sich das Verhalten der Unternehmen untereinander unterscheidet. Dies sind meiner Meinung nach die Faktoren Erfahrung, Binnenmarkt und Strategie.

Erfahrung, Binnenmarkt und Strategie

Erfahrung

Generell beobachte ich immer wieder, daß „unerfahrene“ Unternehmen gerne die Diversität von Kundenanforderungen in anderen Ländern unterschätzen, bzw diese erst mit der Zeit wahrnehmen. Dies führt – egal woher ein Unternehmen kommt – zu der Haltung „was wir hier schaffen, schaffen wir überall“.

Erst mit der wachsenden internationalen Erfahrung lernen solche Unternehmen die Fallstricke kennen, und legen sich die passendere Glokalisierungshaltung zu: Think Global, Act Local.

Um nur einige Beispiele zu nennen für Landesunterschiede, die sich erst mit der Zeit zeigen:

  • Japaner haben eine grundlegend andere Kultur. Dort gilt oft noch das Senioritätsprinzip (je älter, desto wichtiger ein Gesprächspartner). Auch haben Japaner  eine starke eigene kulturelle Bindung. Dies macht es notwendig, Produkte für den japanischen Markt sehr umfassend anzupassen, und dafür zu sorgen, daß möglichst viele japanische Mitarbeiter die Kundenbetreuung übernehmen.
  • Brasilen verfügt auf vielen Gebieten über sehr komplexe Gesetzgebung. Dies wirkt sich stark auf die einzelnen Geschäftsprozesse und die Gepflogenheiten aus.
  • In Frankreich ist die Verwendung der französischen Sprache sehr viel wichtiger, als z.B. die Verwendung der deutschen Sprache in Deutschland.
  • Asiatische Sprachen verwenden double byte Zeichensätze, d.h. Zeichensätze, für die mehr Raum notwendig ist, als dies bei europäischen Sprachen der Fall ist.

Oft starten Unternehmen mit ihren Heimatprodukten und -prozessen an, und stellen erst mit der Zeit einen Anpassungbedarf fest. Dies führt dann zu Produkten, die oft nur sehr rudimentär an die lokalen Bedürfnisse angepasst sind, und die stark nach Heimatmarkt aussehen.

Binnenmarkt

Die USA verfügen über einen großen Binnenmarkt, und, noch viel schlimmer. Sie verfügen über sehr anspruchsvolle Kunden. Den Gedankengängen von Morten Christensen folgend, bedeutet dies, daß vermutlich die anspruchsvollen Kunden die gesamte Aufmerksamkeit binden.

Speziell der US Markt ist sehr homogen (jedenfalls, wenn man ihn mit Europa vergleicht). Dies führt zu einer Ähnlichkeit der Kundenbedarfe, und damit dazu, daß die Unternehmen sich zunächst einmal konzentrieren müssen, um nicht im Wettbewerbsumfeld unterzugehen.

Strategie

Generell verfolgen US Unternehmen andere Strategien, als dies europäische Unternehmen tun. Während unsere Unternehmen sich oft auf Nischenmärkte spezialisieren, bieten die US Unternehmen oft Produkte für Massenmärkte an. Dieser Unterschied bedingt ein grundlegend anderes Verhalten:

  • Nischenanbieter sind darauf angewiesen, dieselbe Nische in vielen Märkten zu besetzen, d.h zu internationalisieren. Bei ihnen kommt es neben dem Produkt eher auf die Abdeckung spezieller Wünsche an.
  • Massenhersteller sind eher darauf angewiesen, einen Markt in der Tiefe zu erschliessen. Bei Ihnen sind stabile Prozesse erforderlich, um Markterfolg zu erzielen.

Weiterführende Informationen

… auf www.Produkt-Manager.net

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Das Original dieses Artikels ist auf Der Produktmanager erschienen (©Andreas Rudolph). Regelmäßige Artikel gibt es über die (→Mailingliste), oder indem Sie →mir auf Twitter folgen. In der Online Version finden Sie hier die versprochenen weiterführenden Links:

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